"Die armen Bauern"

16.05.2020


Wenn es um Veganismus geht, kommt auch immer wieder die Diskussion auf, was denn mit den armen Bauern geschieht, wenn die ganze Welt vegan würde...

Mal abgesehen davon, dass kaum die ganze Menschheit über Nacht auf tierische Produkte verzichten wird, schauen wir uns doch einmal an, inwiefern ein Bauer in der jetzigen Situation durchaus bedauernswert ist.

Dabei erinnere ich mich an ein Gespräch, das ein Tierrechtsaktivist mit einem Landwirt führte, der den Hof seines Vaters übernommen hatte.
Er war ein junger netter Kerl und betonte immer wieder, wie sehr er seine Tiere liebte und diese auch gut behandle. Auf die Frage, ob ihn das denn nicht schmerze, wenn er Tiere zum Schlachter bringen müsste, zuckte er anfangs nur mit den Schultern und meinte, das sei eben die Natur und die Menschen müssten ja ernährt werden.
Im Verlaufe des Gesprächs, verstrickte er sich immer häufiger in Widersprüche und er wurde zusehends unruhiger. «Wie kannst du deine Kälber lieben und sie dann zur Schlachtbank bringen? Wie passt das zusammen?» fragte der Aktivist. Der Bauer wollte antworten, jedoch es verschlug ihm die Stimme und er begann zu weinen.

Genau da will ich jetzt einhaken. Ich bin davon überzeugt, dass viele Landwirte tatsächlich ihre Tiere lieben und sie wollen sie gut behandeln. Aber wie kann man Lebewesen gut behandeln, die als Kapitalanlage dienen, um Profit abzuwerfen?
Nur schon der Akt des Wegnehmens eines Kalbes vom Muttertier ist keine gute Behandlung.
Viele Landwirte müssen da auch grob zur Sache gehen. Sie treten der Mutter brutal in die Seite, weil die natürlich den Abtransport ihres Kindes verhindern will. Das Kalb wird rücksichtslos auf einen Karren geworfen, weil es schnell gehen muss. Die tagelangen Schreie der Mutterkuh müssen Landwirte irgendwann ausblenden, denn sonst würden sie vermutlich verrückt werden.
Da ist nichts mit der verkitschten Bauernhofromantik, die man dem Konsumenten vorgaukeln will.

Einige Bauern geben ihren Kühen sogar Namen, das bedeutet sie bauen eine Beziehung zu ihnen auf und nicht selten schwärmen sie von der braven «Lisa» und der schönen «Emma». Wenn es dann Zeit wird für die Tötung der Tiere, leiden ihre Besitzer sehr. Diese Diskrepanz zwischen Gefühl und Profit lässt sich auch für einen Bauern nicht in Einklang bringen, egal wie sehr er sich bemüht Dissonanzen zu reduzieren.

Ein Bauer muss also nicht nur Gewalt an seinen Tieren anwenden, sondern auch gegen sich selbst. Seelisch ist das ein Kraftakt, der sich mit den Jahren in Frust niederschlägt und an den Tieren wiederum ausgelassen wird.
Gefühle ständig zu unterdrücken, die nicht sein dürfen, macht jeden früher oder später psychisch krank.

Menschen, die in Schlachthäuser arbeiten und unfassbar grausame Dinge verrichten müssen, sind sehr übel dran. Mal abgesehen davon, dass sie unter katastrophalen Bedingungen ihren blutigen Job verrichten müssen, leiden sehr viele an posttraumatischen Belastungsstörungen und Alkoholismus, was nicht selten im Suizid endet.
Wenn wir Bilder sehen, von Schlachter, die sich in perversen Posen mit toten Tierkörpern ablichten lassen, ist das der klare Hinweis dafür, wie gross die seelische Störung ist.
Im Grunde genommen ist es eine Selbstherabwürdigung und eine Aussage darüber, wie man verzweifelt versucht, mit einer zutiefst verstörenden Situation verspottend und verhöhnend klar zu kommen.

Wenn wir nun wirklich ehrliches Mitgefühl haben wollen, mit Landwirten oder Schlachter, die in unserem Auftrag den Mord und die schlimmsten Gräueltaten an fühlenden Wesen ausführen, dann müssten wir sie aus ihrem Berufsstand erlösen und eingestehen, dass eine Arbeit, die täglich mit schreienden und leidenden Tieren zu tun hat, auch gegenüber dem Menschen moralisch und ethisch absolut nicht vertretbar ist!


Text by: Bea Kälin